EMDR – Eye Movement Desensitization and Reprocessing

EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ist eine effektive und häufig schnell wirksame Behandlungsmethode für die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Ins Deutsche übersetzt, wird der Kern der Methode noch schneller deutlich: Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung.

“Erfinderin” ist Dr. Francine Shapiro (*1948 † 2019 – klinische Psychologin und außerordentliches Forschungsmitglied des Mental Research Institute in Palo Alto in Kalifornien). Bereits 1987 entdecke sie den entlastenden Effekt von Augenbewegungen, den sie in einer ersten Studie untersuchte und 1989 veröffentlichte. Bis 1991 entwickelte die Forscherin die heutige EMDR-Methode.

Erst im Januar 2015 wurde EMDR schließlich auch in Deutschland “als Methode im Rahmen von Einzelpsychotherapie bei Erwachsenen im Anwendungsbereich Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)” vom gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) anerkannt und als solche zugelassen. (Abschlussbericht: https://www.g-ba.de/downloads/40-268-2987/2014-10-16_PT-RL_EMDR_Umstrukturierung-Anlage1_ZD.pdf)

Grundlagen

Während einer EMDR-Sitzung konzentriert sich der Patient auf bestimmte Anteile der nicht ausreichend verarbeiteten (“traumatischen”) Erinnerung und folgt dabei gleichzeitig den Fingerbewegungen des Therapeuten mit den Augen. Dieser bewegt die Hand abwechselnd von rechts nach links (= bilaterale Stimulation). Dieser Prozess ist auch mit anderen Stimuli möglich: beispielsweise taktile (z. B. Fingertippen auf Handrücken) oder auditive (z. B. Töne).

Hierdurch wird ein Prozess der Informationsverarbeitung angestoßen, mit dem für viele Patienten die Erinnerung an oder die Assoziation mit den “traumatischen” Erlebnissen relativ schnell verblasst bzw. von den negativen Empfindungen und Körpersensationen entkoppelt wird.

EMDR wirkt bei den allermeisten Patienten schneller und weniger belastend als bei anderen etablierten Therapieverfahren zur Behandlung psychotraumatischer Belastungssyndrome. Die genauen Details des Wirkmechanismus sind allerdings bisher noch nicht geklärt. Man geht davon aus, dass es sich um einen eigenständigen, neurobiologischen Mechanismus handeln könnte (ähnlich den Augenbewegungen während der REM-Schlaf-Phasen, oder eine Aktivieren einer Orientierungsreaktion). Forschungen hierzu laufen.

Messungen der Hirnströme (EEG-Monitoring) während EMDR-Behandlungen haben eine Normalisierung der Hirnaktivität gezeigt.

Ablauf

Am Anfang einer EMDR-Behandlung steht eine ausführliche Anamnese. Das Trauma und die mit ihm verbundenen belastenden Symptome werden diagnostisch eingeordnet. Dieses Sondieren geschieht sehr vorsichtig und langsam. Erst wenn eine hinreichend vertrauensvolle Beziehung zum Therapeuten und in die gesamte Behandlungssituation hergestellt ist, kann man sich den Eindrücken des traumatischen Erlebnisses nähern und sie von den belastenden Emotionen entkoppeln.

Während einer Sitzung leitet man normalerweise mehrere Sequenzen der Augenbewegungen an, die jeweils eine halbe bis eine Minute dauern. Wichtig für den Erfolg von EMDR-Therapien ist eine qualifizierte Ausbildung des Therapeuten/der Therapeutin, die den Patienten sehr achtsam durch das Erinnerte und die dazugehörigen Empfindungen (beg)leiten.

Manche Autoren vergleichen eine EMDR-Sitzung mit einer Zugreise, auf der die Patienten noch einmal an dem Geschehen vorbeifahren – nur diesmal aus sicherer Entfernung und in Begleitung des Therapeuten. Nach und nach verblassen die Erinnerungen an das Erlebte und die Symptome des Traumas werden reduziert oder verschwinden ganz. So werden Geschehnisse zwar nicht komplett “vergessen”, aber die Patienten können eine neue, distanziertere Perspektive auf das Geschehene entwickeln, wodurch das “Leid” in relativ kurzer Zeit sehr viel weniger wird.

Phasen der Behandlung

EMDR-Behandlungen können sehr kurz sein, dies hängt jedoch von der Komplexität des klinischen Problems und der dahinterliegenden Erinnerungsstruktur ab. Idealerweise gliedert sich eine EMDR-Therapie in acht Phasen:

1: Vorgeschichte und Behandlungsplanung (inkl. Ausschluss von Kontraindikationen)

2: Vorbereitung des Patienten (Stabilisierung, z. B. durch Imaginationsverfahren, “sicherer Ort” o. ä.)

3: Bewertung der Erinnerung (negative Symptome erkennen und positive Kognition als Gegenentwurf entwickeln (“wie wäre es besser?”))

4: Durcharbeitung (mit der Erinnerung in Kontakt kommen und gleichzeitige bilaterale Stimulation)

5: Verankerung (positive Kognition verstärken und festigen)

6: Körper-Test (“Reste” von sensorischen Erinnerungsfragmenten suchen und wiederholt mit bilateralen Stimuli bearbeiten)

7: Abschluss (Besprechung der mitunter beeindruckenden Erfahrungen, Vereinbarung von Verhaltensmaßnahmen für die Zeit bis zur nächsten Therapiesitzung)

8: Nachbefragung (Ansätze für die Fortführung der Behandlung, ggf. “Belastungsreste” behandeln)

Quellen:
https://www.aerzteblatt.de/archiv/148764/Eye-Movement-Desensitization-and-Reprocessing-(EMDR)-Eine-ungewoehnliche-Form-der-Psychotherapie

http://www.emdria.de/

Meine persönlichen Erfahrungen mit EMDR

Ganz ehrlich: Bei meiner ersten EMDR-Sitzung konnte ich das Gefühl nicht loswerden, das ist doch wieder irgend so ein Hokus-Pokus und ich soll auch noch Geld dafür bezahlen. Nachdem ich mich jedoch selbst umfassend über die theoretischen Grundlagen der Methode informiert hatte und erste sehr eindrückliche Erfolge erzielen konnte, war meine Skepsis zunächst in Neugier und später auch Überzeugung übergegangen.

Ich hatte darüber hinaus das Glück, einen sehr achtsam vorgehenden EMDR-Therapeuten in erreichbarer Nähe gefunden zu haben: Dirk Eisbrenner (Praxis “Ihr Weg”) – Lieben Dank nochmals an dieser Stelle!

Mein persönliches Fazit: Es erscheint seltsam. Es ist anstrengend. Es funktioniert.


Literatur

F. Shapiro u. K. Petersen: Frei werden von der Vergangenheit: Trauma-Selbsthilfe nach der EMDR-Methode* (für Menschen, die selbst mit der Methode experimentieren möchten)

J. Tesarz, G.H. Seidler et al: Schmerzen behandeln mit EMDR: Das Praxishandbuch*. (für Profis und Menschen, bei denen vor allem chronische Schmerzen Thema sind)

F. Shapiro, T. Kierdorf et al.: EMDR – Grundlagen und Praxis: Handbuch zur Behandlung traumatisierter Menschen.* (für Profis und Menschen, die sich vertieft mit dieser Art der Therapie beschäftigen möchten)

Wie mir persönlich diese Art der “Seelenarbeit” kurz-, mittel- und langfristig geholfen hat, auch mit komplexen Traumafolgestörungen umzugehen, kannst Du auch in einzelnen Kapiteln meines Buches “Heul ruhig – Wie Trauma, Angst und Schmerzen mich stärker machten”* nachlesen.


Beitragsbild von cocoparisienne und AlLes auf Pixabay


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