USA: Erstes CGRP Medikament gegen Migräne zugelassen

Interessant für alle, die sich mit Migräne herumplagen müssen – vor allem diejenigen mit chronischen und schweren Verlaufsformen sollen laut Pressberichten hiervon profitieren: Seit dem 17.5.2018 ist das erste CGRP Medikament * Erenumab / Aimovig in den USA für die vorbeugende Migränebehandlung bei Erwachsenen zugelassen worden.

Offenbar ist das Medikament, das mittels Injector einmal im Monat vom Patienten selbst injiziert werden kann, auch bei Basilarismigräne einsetzbar – zumindest werden in der amerikanischen Fachinformation und in der Patienteninformation keine Kontraindikationen diesbezüglich genannt**.

Das wäre ja mal was …

Euphorie?

Für jeden Tag und jede Stunde ohne Migräne bin ich dankbar.  Der Wirkmechanismus und die Substanz Erenumab an sich erscheint mir auch geradezu sympathisch im Vergleich zu beispielsweise Gabapentin oder Topiramat.

Trotzdem hält sich meine Euphorie bisher noch in Grenzen, denn bei den Studien im Vorfeld der Zulassung zeigten sich im Mittel nur 1-2,5 weniger Migränetage pro Monat im Vergleich zu den mit Placebo behandelten Patienten*.

Das wäre bei einer Durchschnittsfrequenz von über 10 Migränetagen im Monat (bei chronischer Migräne keine Seltenheit) immer noch kein besonders durchschlagender Erfolg, finde ich …  Da muss wohl jeder selbst entscheiden, ob er es mal probieren will, wenn das Medikament bei uns in Deutschland zugelassen wird. Wichtig dafür:

Die Nebenwirkungen

Bei den Studien mit dem CGRP Medikament wird über sehr wenig Nebenwirkungen berichtet. Am häufigsten sind offenbar

  • Schmerzen an der Injektionsstelle  (mimimi … gibt ja wohl Schlimmeres),
  • Infektionen der oberen Atemwege (is’ auch nich’ schön)
  • und Übelkeit (grade die soll doch auch weg! mäh! …).

Man wird abwarten müssen, was kommt, wenn das Medikament “in die Fläche” geht.

Meistens werden ja in Studien die Patienten gut “ausgesiebt”, damit man am Ende bessere bzw. vergleichbarere Ergebnisse hat. Das hat leider den Nachteil, dass man Patienten mit verschiedenen Koerkrankungen in den Studien vorher selten bis nie gesehen hat. D.h. niemand kann bei der Zulassung sagen, ob z.B. Patienten mit Autismus, Fibromyalgie, CFS, Multipler Sklerose usw. nicht doch erhebliche Nebenwirkungen an anderer Stelle im Körper haben – vor allem bei der Langzeitanwendung. Das sieht man erst, wenn sehr viele verschiedene Patienten mit ihren individuellen biologischen Voraussetzungen ein Medikament eingenommen haben.

chronische Migräne und Aura

Ein weitere Frage, die sich auftut: Hat das CGRP Medikament auch eine positive Wirkung auf die bei chronischer Migräne häufig vergesellschafteten, bei vielen Betroffenen nahezug täglich vorhandenen Spannungs- und anderen Kopfschmerzarten?

Dazu konnte ich noch nichts belastbares herausfinden, außer vereinzelten anonymen Forenbeiträgen von Studienteilnehmern, die offenbar unter Erenumab auf allen Ebenen Erleichterung empfanden.

Auch, ob die Wirkung sich nur auf die Kopfschmerzen oder auch auf die Aura (oder beides) bezieht, wäre interessant (in Bezug auf die Basilarisaura sogar entscheidend) für mich. Getestet wurde das Medikament offenbar an Patienten mit und ohne Aura*. Wie es im Speziellen bei Basilarismigräne aussieht, darüber ist nichts zu finden (meine Prognose, die auch in einschlägigen Foren geteilt wird: Das wird wahrscheinlich auch nichts werden, wie immer :-/ …)

Unter’m Strich braucht es also erstmal wieder massenhaft Versuchskaninchen. 😉

Die Medien und gute Ratschläge

Wäre nur schön, wenn es in den Medien jetzt nicht gleich wieder heißt: “Gegen Migräne gibt’s doch jetzt was ganz Tolles. Das musst Du nur nehmen, dann bist Du geheilt”. Und daraus folgt für das soziale, medizinische und politische Umfeld: “Wenn Du das nicht wenigstens probiert hast, bist Du nicht gewillt, Deine Krankheit loszuwerden”.

Ja, ja …

Kassenzulassung

Ebenfalls gespannt bin ich, ob das Medikament nach der grundsätzlichen Zulassung in Deutschland direkt auch kassenfinanziert zu haben ist. Ansonsten hieße es ja, dass die Privatpatienten erst mal die “Drecksarbeit” machen können und Versuchskaninchen für uns “Kassler” spielen müssten … Das ist allerdings mal ein Gedanke, der zumindest schmunzeln lässt … (sorry liebe “Privatler” nehmt’s nicht persönlich, mal ist man eben der Hund und mal der Baum 😉 ).

Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass das viel Anklang in den zahlungskräftigen und somit lobbymäßig gut vertretenen Reihen unseres Landes finden wird. 😉

Wir sehen: Was zu diesem Thema noch alles zu hören/ sehen / lesen sein wird, bleibt spannend … 🙂


Einen aktuellen Beitrag hierzu hat auch Violetta in ihrem Blog “Das Migräneprojekt” verfasst, den ich hier gerne teile:

Erstes CGRP Medikament in den USA zugelassen


*CGRP = Calcitonin Gene-Related Peptide: Ein Neuropeptid, das im peripheren Nervensystem und Zentralnervensystem gebildet wird und stark gefäßerweiternd wirkt. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Migräne.

**englischsprachige Produktinfos des Herstellers (Amgen Inc./Novartis) zum neuen CGRP Medikament:

“Fachinfo”: https://pi.amgen.com/~/media/amgen/repositorysites/pi-amgen-com/aimovig/aimovig_pi_hcp_english.ashx

“Pateinteninfo”: https://pi.amgen.com/~/media/amgen/repositorysites/pi-amgen-com/aimovig/aimovig_ppi_pt_english.ashx

*Quelle: http://www.schmerzklinik.de/aktuelles

Grafik: pixabay/TheDigitalArtist

4 Kommentare

  1. Hallo Tanja!

    Danke erst Mal für deinen Block, den ich schon lange still und zumeist amüsiert verfolge. Auch ich werde chronisch von der Basilaris heimgesucht und auch ich rufe nicht völlig gehypt “Her mit dem Zeug! Koste, was es wolle.“.

    Danke für die knackige Zusammen-fassung zu dem Thema. Ich bin so froh, dass ich mit meiner Meinung dazu nicht alleine darstehe. Ständig finde ich von Kolleginnen Artikel zu dem Thema im Fach (ist ja immer nett gemeint…aber wehe man sagt dann, dass man das nicht probieren wird…und mit sachlichen Argumenten braucht man da auch nicht kommen).

    Bei meinem letzten Neurologentermin habe ich genau die Punkte “Langzeit-nebenwirkungen“, “Vergleichsstudien zu anderen Medikamenten“ und “geringe Reduzierung der Migränetage“ angesprochen (ich hätte 18 statt 20 Tage….super Ausbeute 🙂 Mein Neurologe sieht es übrigens auch so wie wir und ist sehr froh, dass ich erst mal nicht “dazugehörigen“ möchte. Er möchte nämlich nicht hier in der Stadt ggf der erste Arzt sein, dessen Patientin doofe Langzeitnebenwirkungen bekommt. Es wird sowas von gehypt und beworben und ich glaube, dass sich bei Novartis die Oberen schon die Hände reiben und über ihren neuesten Coup freuen über das breite Versuchsfeld, was sich nun auftut….vom Verdienst ganz zu schweigen. Nur so ein Verdacht. Mna wird sehen

    Viele Grüße und alles Gute aus Münster (auch) Tanja

    • Hallo Tanja,
      Danke für Dein Feedback! 🙂
      Es ist sicher für viele von uns interessant, wie die anderen Ärzte und Patienten mit den neuen Mittelchen konkret umgehen.
      Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass Novartis die Entwicklungskosten schnell wieder „drin“ hat …
      Vermutlich haben die Chefs bzw. Chefinnen (bei Novartis sitzen tatsächlich mal zwei Frauen mit in der Chefetage) die Baupläne für die neue Traumvilla in Davos schon in der Schublade liegen 😀
      Es sei ihnen von Herzen gegönnt, wenn dafür die Migräne besser in den Griff zu kriegen ist …

      Liebe Grüße und alles Gute für Dich!

      myyzilla

  2. Hallo Myyzilla,
    sehr interessant – ich werde es im Auge behalten, denn die Migräne meiner Tochter ist phasenweise immer noch sehr schlimm. Danke für die Neuigkeiten!

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